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Moore Münster

Henry Moore in Münster

Das 1908 eröffnete Landesmuseum in Münster hatte in den 70er Jahren einen nüchternen Erweiterungsbau erhalten, der vor einigen Jahren nach Bauschäden wieder abgerissen und durch einen postmodernen Neu- und Erweiterungsbau ersetzt wurde. Der öffentliche Teil des Neubaus besteht aus vier Höfen, von denen sich zwei zur Stadt hin öffnen und einer das weitläufige und großzügige Foyer aufgenommen hat. Besonders markantes Bauteil ist ein Tortenstück, eine scharfe Spitze, die allerdings an Peis Erweiterung der National Gallery of Art in Washington erinnert und die man auch vom MMK in Frankfurt kennt. Abgesehen von einigen banalen, teilweise vom Altbau übernommenen Kunst-am-Bau-Applikationen an den Außenwänden halte ich den Neubau für sehr gelungen, vor allem auch, weil innen die Einbeziehung des Altbaus mit seinem schönen Treppenhaus im Stil der Neorenaissance gut gelöst wurde. Unterschiedlich geschnittene Fenster an verschiedenen Stellen erlauben einerseits Ausblicke auf den Dom und die Landsbergsche Kurie, einen dreiflügeligen Barockbau, der heute das geologische Museum beherbergt, und andererseits vielfältige Einblicke in das Museum.
Seine Neueröffnung feierte das Landesmuseum mit einer Ausstellung englischer Malerei aus den Jahren 1945 und 1980. Gezeigt wurden 120 Werke von u. a. Francis Bacon, David Hockney, Lucian Freud, Richard  Hamilton, Allen Jones und R. B. Kitaj. Die Zusammenstellung war so originell, dass sogar die Neue Zürcher Zeitung darüber berichtete.

Jetzt hat das Museum in Zusammenarbeit mit der Tate London Henry Moore eine umfangreiche Werkschau gewidmet. Der Engländer gewann nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges internationales Ansehen und war dreißig Jahre lang führender Künstler für Großplastiken im öffentlichen Raum. In Deutschland nahm er viermal an der documenta in Kassel teil und fand früh Eingang in deutsche Museen. In seinen Werken hat er drei Themen beständig variiert: die liegende, die sitzende und die stehende Figur. Dabei nahm er seinen Weg von der figürlichen Form zur Abstraktion mit Abstechern in den Surrealismus. In Münster werden 120 Arbeiten (Skulpturen, Plastiken und Zeichnungen) von ihm und 16 weiteren Künstlern – z. B. Arp, Baumeister, Beuys, Giacometti, Hartung, Heiliger, Kricke und Picasso – gezeigt. Die Arbeiten stammen aus allen Schaffensperioden und zeigen beispielhaft seinen Weg in die Abstraktion. Raum 1 und 2 sind seinen liegenden Figuren gewidmet, Raum 3 Masken, Helmen und Köpfen, Raum 4 sitzenden Figuren, Raum 5 und 6 Abstraktionen. Besonders gut lässt sich seine Entwicklung an der Plastik der Liegenden verfolgen, zu der als Vorläufer die Zeichnungen liegender Frauen in U-Bahn-Tunneln, die in London als Luftschutzkeller benutzt wurden, gezeigt werden, die Shelter Drawings, die in den Jahren 1940 und 1941 entstanden. Sind in der erste Plastik noch die Körperformen ausgebildet und die Gesichtszüge deutlich zu erkennen, verschwinden sie in den abstrakten Wiederholungen, in weiteren Ausführungen verliert die Plastik ihre Mitte und wird in zwei Teile geteilt, wodurch eine Werkgruppe entsteht.
Wer sich nach dem Besuch der Sonderausstellung die Zeit nimmt, die ständige Sammlung anzusehen, dürften von der Qualität und dem Umfang überrascht werden. Nicht nur ist der deutsche Expressionismus exzellent vertreten, auch bei alten Meistern der Spätgotik und Renaissance sind Schätze zu entdecken. So hat das Museum ein halbes Dutzend Gemälde von Derick Baegert aus Wesel versammelt, der zu den wichtigsten Vertretern der niederrheinischen Malerei der Spätgotik gehört. Er ist heute kaum bekannt, weil nur ein kleiner Teil seines Werks die Zeitläufte überstanden hat, vermutlich wurde vieles in den Bilderstürmen zerstört. Ein anderer Höhepunkt der Sammlung sind Werke der Malerfamilie tom Ring. Sie stammte aus Münster und hat dort in der Mitte des 16. Jahrhunderts gewirkt. Von den im Landesmuseum gezeigten Werken ist vor allem das Familienbild des Grafen Rietberg bemerkenswert.

Auch außerhalb des Landesmuseums wird Kunst angeboten. Nur wenige Schritte entfernt hat ein Picasso-Museum seinen Platz gefunden und lädt zur Zeit zu einer Sonderausstellung mit Grafiken und Zeichnungen von Henri Matisse und Pablo Picasso ein.
Schließlich sei noch auf das Lack-Museum mit über 2000 Exponaten aus Fernost, Arabien und Europa verwiesen.

 

Text: Eric H. Gutzler im Januar 2017

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