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Die Kunstgeschichte des Tastsinns

Die Kunstgeschichte des Tastsinns

In  seiner 1778 publizierten Abhandlung "Plastik. Einige Wahrnehmungen über Form und Gestalt aus Pygmalions bildendem Traume" lieferte Herder geradezu ein Manifest für den Tastsinn: "Das Auge", so Herder, "ist nur Wegweiser, nur die Vernunft der Hand; die Hand allein gibt Formen, Begriffe dessen, was sie bedeuten, was in ihnen wohnet." Seither haben sich Bildhauer immer weder, wenn es um die aäquate Rezeption ihrer Werke ging, auf den Tastsinn berufen; Brancusi beispielsweise, der "Skulpturen für Blinde" schuf,  der es bezeichnenderweise aber verabscheute, wenn jemand seine auf Hochglanz polierten Arbeiten berührte. Seit längerem schon bemühen sich Museen, "Tastgalerien" einzurichten, nicht nur, um blinden Menschen einen Zugang zur Kunst zu öffnen, sondern auch im Vertrauen auf die Relevanz der haptischen Wahrnehmung von plastischen Kunstwerken. Das Fach Kunstgeschichte schließlich bedient sich seit dem 19. Jh. methodischer Kategorien, die auf den größeren oder geringeren Anteil des Tastsinns bei der Wahrnehmung von Kunstwerken Bezug nehmen (z. B. Riegls Gegensatzpaar "haptisch-optisch", Berensons Theorie der "tastbaren Werte" oder Wölfflins "Grundbegriffe"). Trotzdem gibt es noch keine Kunstgeschichte des Tastsinns.

Hans Körner

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