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Fetisch oder Fetischismus?

Fetisch oder Fetischismus?

Ausstellung Fetisch oder Fetischismus im Haus der Universität am Schadowplatz

Am Mittwoch, 25. November 2015 eröffnet im Haus der Universität am Schadowplatz in
Düsseldorf die Ausstellung Fetisch oder Fetischismus.
Kuratiert wurde die Ausstellung von drei Studentinnen der Heinrich-Heine Universität
Düsseldorf. Jasmin Hagedorn, Gesa Hüwe und Anna-Lena Rößner haben diese
Ausstellung eigenständig im Rahmen ihres Masterstudiums der Kunstgeschichte mit dem
Schwerpunkt Kunstvermittlung im Museum und Kunsthandel konzipiert und organisiert.
Gezeigt werden Werke der vier (ehemaligen) Kunststudenten der Kunstakademie: Kathrin
Edwards, Andreas Jonak, Marleen Müller und Georg Treitz.
Ursprünglich ist der Begriff Fetischismus ein Teil der Naturreligionen (West-)Afrikas:
Der Animismus bezeichnet den Glauben an Wesen wie Geister - auch als Seelen
beschrieben -, denen besondere Kräfte oder übernatürliche Eigenschaften zugeschrieben
werden. Ausgewählte Gegenstände, denen nachgesagt wird, sie seien von einem
bestimmte Geist bewohnt, werden als heilige Objekte verehrt und sind nicht für den
alltäglichen Gebrauch bestimmt: Diese werden allgemein als Fetische bezeichnet.
Auch ein Kunstwerk ist (in der Regel) nicht für den alltäglichen Gebrauch vorgesehen.
Nach der Jubiläumsausstellung zum 50. Geburtstag der Heinrich-Heine-Universität ist dies
nun die zweite Ausstellung im Haus der Universität, die von Studierenden umgesetzt wird.
Neu ist, dass erstmals Universität und Akademie eng kooperieren und die Ausstellung in
intensivem Austausch entstanden ist.

Ausstellungsdauer: 26. November 2015 bis 31. Januar 2016
Vernissage: 25. November 2015, 19 Uhr

Haus der Universität
Schadowplatz 14
40212 Düsseldorf


Kunst als Fetisch?

„Kunst ist ein Fetisch“ - so lautet die Überschrift eines Interviews 1 des art-Magazins und ist
auch eine Aussage der darin Interviewten, der Künstlerin Monica Bonvicini. Wenn über
ihre Kunst gesprochen oder geschrieben wird, sind Begriffe wie „Sadomaso“, „Swingerclub“
oder eben jener des „Fetisch“ oft ganz nah. Bei einer oberflächlichen Betrachtung
ihrer Werke ist dies nicht erstaunlich: Die Bildhauerin und Videokünstlerin verwendet oftmals
Materialien wie (schwarzes) Leder, Männergürtel oder schwere
Stahlketten, und auch Werkzeuge wie Motorsägen, Hammer oder Zangen können Teil ihrer
Arbeiten werden. Beschäftigt man sich jedoch näher mit der Arbeitsweise Bonvicinis,
so erschließt sich abseits von ihrer vordergründig so lauten Materialpräferenz noch eine
andere Lesbarkeit: Die Rolle der Geschlechter, von Macht und Kontrolle werden hinterfragt
und bloßgelegt. Eine simple, schimmernde Darstellung der „Darkroom-Szene“ ist wohl
weniger ihre Intention.
„Kunst ist ein Fetisch“ — dennoch äußert die Künstlerin hier bewusst einen Zusammenhang
zwischen (ihrer) Kunst und einem Fetisch. Eigentlich hat der Begriff Fetischismus
weniger mit den so konventionellen „Lack und Leder“-Assoziationen zu tun, denn ursprünglich
ist er ein Teil der Naturreligionen (West)-Afrikas und in der Moderne zweckentfremdet
worden.
Der Animismus bezeichnet den Glauben an Wesen wie Geister — auch als Seelen beschrieben
—, denen besondere Kräfte oder übernatürliche Eigenschaften zu-geschrieben
werden und die sich auch dadurch vom Menschen unterscheiden, dass sie nicht sichtbar
sind.2 Genau dieses Merkmal ist der Grund dafür, dass von den Anhängern dieser Glaubensrichtung
ausgewählte Gegenstände als heilige Objekte verehrt werden, denen nachgesagt
wird, sie seien von einem bestimmten Geist bewohnt: Diese werden allgemein als
Fetische bezeichnet. Dabei handelt es sich vor allem um solche Objekte, die für einen bestimmten
Anlass geschaffen werden (Figuren aus Holz oder anderen natürlichen Materialien).
Ein Fetisch ist — wie alle heiligen Objekte — nicht für den alltäglichen Gebrauch bestimmt,
ihm wird eine besondere Bedeutung zugesprochen, die ihn überhöht. Innerhalb
einer rituellen Handlung wird der geistige Bewohner geweckt, befragt, besänftigt oder zur
Ausübung seiner Qualität aufgefordert.
Karl Marx wandte den Begriff und seine Bedeutung schließlich auf die „Arbeitsprodukte“
an, schrieb vom „Warenfetisch“ und übertrug ihn so auf Erscheinungen der politischen
Ökonomie, indem er feststellte, dass im Kapitalismus u. a. der Ware Eigenschaften zugeschrieben
würden, die diese in Wahrheit nicht hätten.3
In der nicht-afrikanischen Kultur versteht man heute unter Fetisch primär eine Fixierung
auf einen bestimmten Gegenstand, ein Körperteil oder ein Material und der Begriff ist oftmals
auch im medizinisch-klinischen Bereich geläufig. Diese Definition beschreibt ein
Krankheitsbild oder eine bestimmte Neigung, die vor allem in sexueller Hinsicht ausgelebt
werden will.
Kunst als sexuelle Vorliebe? Hat es bestimmt schon gegeben. Monica Bonvicinis Aussage
beschreibt aber eine andere These: Jedes Kunstwerk sei per se ein Fetischobjekt, da ihm
eben jene Charakteristika des ursprünglichen Fetischgedankens zugesprochen werden.
Ein Kunstwerk ist (in der Regel) nicht für den alltäglichen Gebrauch vorgesehen. Trägt
Duchamp ein Pissoir weg von weißen Kacheln hin zu einem white cube und stellt damit
die Behauptung auf, der doch für eine regelmäßige Nutzung vorgesehene Gegenstand sei
nun offiziell als Kunst zu bezeichnen, dann spricht er diesem automatisch eine Bedeutung
zu, die er zuvor nicht besaß; es findet eine Wertverschiebung statt. Gerade der Kunstmarkt
ist ein Bereich, der sich durch — nicht immer für jeden nachvollziehbare — Zu- und
Abschreibungen von Wert definiert. Man kann Kunst erschaffen, kaufen, sie (materiell) besitzen,
sie sich theoretisch aneignen, aber vor allem sollte sie (unmittelbar) erfahrbar sein.
Ein ursprünglicher Fetisch wird während einer streng definierten Handlung, einem Ritual,
„gebraucht“. Auch auf die christliche Religion lässt sich also der Fetischgedanke übertragen,
schließlich wird während jeder Eucharistie vorübergehend Wein in das Blut, ein Brot
in den Leib Christi „verwandelt“.
Der deutsche Kulturwissenschaftler Hartmut Böhme stellt in seiner Publikation „Fetischismus
und Kultur“ fest, dass Fetischobjekte auf jeden Fall zu unserer heutigen modernen
Kultur gehörten und nichts mit Perversion oder einem verwerflichen Primitivismus zu tun
hätten. Stattdessen habe der Fetischismus eine wichtige soziale 4 Funktion: Seitdem die
Aufklärung die universale Vorstellung einer gottgegebenen Welt auflöste, brauche der
Mensch andere Formen des Kults, schließlich seien die dazugehörigen Bedürfnisse nicht
abgeschafft. Fetischismus als „sozialer Klebstoff“ der Gesellschaft.5
Für die Kunst würde das bedeuten, dass — um bei Duchamp und seinem Pissoir zu
bleiben — ein Werk zum Fetisch erhoben wird, sobald es überhaupt zur Kunst erklärt worden
ist; meist wird diese Behauptung mit der ersten öffentlichen, musealen Präsentation
aufgestellt. Die Besucher einer Ausstellung werden auf diese Weise Teil dieses Rituals, da
sie ein Museum mit dem Anspruch betreten, Kunst zu sehen und im besten Fall: zu erfahren.
Aber ein Künstler kann auch etwas in seiner Arbeitsweise zu einem, zu seinem Fetisch erklären.
In dieser Ausstellung sehen wir vier ganz unterschiedliche künstlerische Positionen,
jede macht ihren eigenen Fetisch zum Thema — manchmal ganz vordergründig,
manchmal ganz subtil:
Frauenkörper als immer wiederkehrendes Sujet. Gegenstände werden ihrer eigentlichen
Form und Funktion beraubt und bilden gemeinsam neue Konstrukte.
Symbole, die sich zwischen Bekanntheit und Fremdheit bewegen, werden mit neuen Inhalten
beschrieben. Farbe wird nicht als darstellendes Medium verwendet, sondern ist das
Dargestellte.
Fetisch in der Kunst — bedeutet das, und sei diese Fetischisierung nur auf einen Gegenstand
oder ein Material bezogen, also auch eine Limitation? Nein, solange diese Fixierung
nicht zum Zwang wird.

1 Vgl. www.art-magazin.de/kunst/33232/monica_bonvicini_interview (letzter Zugriff:
25.10.2015).
2 Beschrieben beispielsweise bei Emile Durkheim: Die elementaren Formen des religiösen Lebens,
S. 70 f.
3 Vgl. Karl Marx: Werke, Band 23: Das Kapital Bd. I, S. 85 f.
4 Hartmut Böhme: Kultur und Fetischismus. Eine andere Theorie der Moderne. S. 4 f.
5 Vgl. www.zeit.de/2006/35/ST-Boehme (letzter Zugriff: 05.11.2015).

Text: Gesa Hüwe

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